Vor kurzem habe ich “Salz der Erde” von Ernst Hinterberger gelesen. Eine kleine Buchbesprechung gibt es davon bei den Bouquinisten.
Unverbindliche Erinnerungen
[amazonify]3852564018:left:image::200px:200px::http://skopal.cc/wp-content/2008/04/41takazsxl_ss500_.jpg[/amazonify] Ich habe das Glück gehabt, Ernst von Glasersfeld ein zweites Mal in meinem Leben gehört zu haben. Anfang April war er, der jetzt einundneunzigjährige, wieder in Wien, bekam das Ehrenkreuz für Wissenschaft von Bundespräsident Fischer überreicht und las am darauf folgenden Tag im Rahmen der Wiener Vorlesungen im wunderbaren Saal des Billroth-Hauses aus seiner eben erschienenen Biografie “Unverbindliche Erinnerungen”. Ich war früh dort, erst wenige Leute waren da, erste Plätze waren mit Mäntel und Jacken reserviert worden. Nach und nach kamen mehr Leute, irgendwann war unten alles voll, ich besorgte mir noch das Buch unten am Verkaufsstand, der inzwischen aufgebaut worden war, und wartete. Irgendwann war Glasersfeld in den Saal gekommen, hat sich hingesetzt, immer umschwärmt von Kümmerern, die den alten Meister nicht aus den Augen lassen wollten. Irgendwann wurde er wieder hinausgeführt (abgeführt wollte ich sagen), aber immer liebenswürdig. Noch mehr Leute kamen, dann war die Galerie voll, und dann standen die Leute bis hinaus an den Gang. Einleitende Worte wurden gesprochen, noch mehr einleitende Worte, diesmal kürzer, wurden angehängt, mit dem Hinweis auf das inzwischen schlechte Gehör von Glasersfeld, so dass eine Diskussion leider nicht möglich wäre im Anschluss an den Vortrag. Seine Stimme in dem noch immer wundervollen Prager Deutsch war unsicherer als noch vor 5 Jahren. Seine Texte waren brillant wie immer. Wie er von einer mathematischen Theorie über das Kratzen seines Armes in finsterer Nacht auf den Konstruktivismus schwenkt. Wie er von Erzählung über alltägliche Betrachtung zu theoretischer Vertiefung gelangt, geschieht in Augenblicken, ohne Ansatz …
Autor und Visionär erster Güte
Falls wer den Namen Stanislaw Lem noch nicht kennt, sollte sie oder er schleunigst in ein Buchgeschäft seiner Wahl dackeln, um eines der vielen Bücher, die der nette alte Herr aus Polen geschrieben hat, zu besorgen und zu lesen. Gespickt mit Ideen, die ihrer Zeit weit voraus waren, hat die Zeit in vielen Fällen die Ideen in der Ausführung eingeholt. Trotzdem bleibt viel zu viel, um irgendwie daran vorbeizukommen. [Visionär ohne Illusionen – Interview mit Lem, Die Zeit]
Hunter S. Thompson – 1938 – 2005
Der Autor von “Fear and Loathing in Las Vegas,” von Terry Gilliam mit Johnny Depp verfilmt, und Erfinder des Gonzo Journalism, hat sich in seinem Haus selbst das Leben genommen. Seine Form des Journalismus war ganz daran auszumachen, dass er kein Wahrnehmender eines Ereignisses war, sondern dass seine Anwesenheit bei einem Ereignis dieses meist erst zu dem machten, was das Ereignis in der anschließenden Darstellung auszeichnete. Seine Bücher, allen voran das genannte, von einem Autor, der Hemingways Werke nachgeschrieben, um zu wissen, wie das wohl ginge, sind sehr zu empfehlen. Schon wegen der etwas ungewöhnlichen Weltsicht des Hr. Thompson. [An Appreciation: The Tompson Style: A Sens of Self, and Outrage] (Free Registration) [Hunter S. Thompson, 67, Author, Commits Suicide] (Free Registration) [Hunter S. Thompson commits suicide] [DorkTower]
Falls jemand die Unsterblichkeit interessiert…
Jener kann sich in dem Buch Wie der Mensch den Tod besiegt informieren.
Rezept für tibetanischen Buttertee
Ich nehme einmal an, daß das korrekt ist. Buttertee: Hartgepresste Teeziegel werden gebrochen. EIn kleines Stück wird in kochendes Wasser gegeben und gekocht. Es entsteht ein schwarzer Sud, der so absolut ungenießbar ist. Erst durch das Zugeben von frischem, heißem Wasser wird der Tee trinkbar. Dieser Sud wird aufbewahrt und direkt vor dem Genuß mit heißem Wasser verdünnt. Die Nomaden geben Soda hinzu, weil das die Farbe verändert. Darauf wird der Tee in ein Butterfass gegossen und mit Butter durch Stampfen vermengt, bis sich der Tee und die Butter vollständig vermischt haben. Danach wird der Tee gesiebt, um die verbleibenden Butterstücke vor dem Genuss herauszufiltern. Nachdem noch genügend Salz aus Tibets Salzseen dazugegeben wurde, ist das Nationalgetränk der Tibeter fertig. aus: Helmut Burisch, Kailash. Pilger am heiligsten Berg der Welt. Verlag Christian Brandstätter, Wien 2001 Das Buch beinhaltet eine wunderbare Schilderung in Bild und Text einer Pilgerreise um den Berg Kailash im westlichen Tibet, der mehr als einer Religion als heilige Stätte gilt. Dementsprechend viele Pilger sind jedes Jahr unterwegs, dementsprechend viel kann man als Europäer auf diesem Weg erleben. Alle Bilder sind in schwarz/weiss gehalten, was der Thematik viel mehr als jedes Farbfoto entspricht, aus meiner Sicht. Ein sehr stimmungsvolles Buch.
Die Stimmen von Marrakesch
Heute Elias Canettis Buch mit obigem Titel ausgelesen, ein, aus meiner Sicht und meinem Sprachverständnis heraus, wunderbares Buch, eines, welches Inspirationen gibt, welches einen, wie der Titel schon sagt, die Stimmen Marrakeschs vernehmen, seine Gerüche aufnehmen und seine Gebäude und Plätze sehen läßt. Immer aus der Ich-Perspektive des autobiografischen Erzählers gesehen, wechselnd von Beschreibung zu innerem Monolog, entsteht eine unglaublich dichte Erzählung, die viel zu schnell gelesen ist, ob ihrer Kürze. Canetti hat nicht umsonst den Nobelpreis für seine Werke erhalten. [Amazon – Die Stimmen von Marrakesch]
Zentralamerikanische Biologie
Das 58 bändige Werk Biologia Centrali-Americana steht jetzt digital frei zugänglich zur Verfügung. Das Werk wurde Ende des 19. Jahrhundert verfaßt, so daß alle Inhalte frei zur Verfügung stehen können, da alle Rechte darauf schon abgelaufen sind. Es enthält über 18.000 Abbildungen, welche noch in höheren Auflösungen online gestellt werden. [electronic Biologia Centrali-Americana] [via Fundsachen]
Pattern Recognition
Der Titel des, im Moment, letzten Romans von William Gibson, Pattern Recognition, zeigt, liest man nur den Klappentext, sehr wenig über den Inhalt des Buches aus, obwohl er auf die wesentliche Eigenschaft seiner Hauptperson, Cayce Pollard, hinweist. Sie ist eine Coolhuntress, jemand der für die Bekleidungsindustrie neue Strömungen einzelner Subkulturen zu finden versucht, um den dahinterstehenden Konzernen zu ermöglichen, diese zu kommerziellen Zwecken zu benutzen, oder zu mißbrauchen. Daneben ist sie jemand, die übertriebenes Labeling nicht ausstehen kann, weshalb zum Beispiel Tommy Hilfiger als Marke der Alptraum schlechthin ist. Wenn das Logo mehr Platz einnimmt als der Rest des Gewands, kaum wunderlich. Selbst dies ist noch nicht Kern der Sache. Sie verfolgt ein Forum über Footage, Videoclips, die in der Community großen Wiederhall stoßen und Spekulationen über ihren Inhalt, Zusammenhang, ihre Herkunft auslösen. Cayce stößt auf eine Spur, die zu dieser umstrittenen Herkunft führen kann. Und folgt dieser. Faszinierend war, aus meiner Sicht, Gibsons Schilderung der Durchdringung von Werbung, Marketing, Logos, von künstlicher Bedeutungsgenerierung, Kontextualisierung und Re-Kontextualisierung bis hin zur Dekonstruktion von überlieferten Bedeutungen von Zeichen, von Text in semiotischem Sinne und die dabei aufgezeigten Zusammenhänge. Das Web in seinen Stärken und Schwächen, sowie die Ansätze von Möglichkeiten der Datenmanipulation, wie sie ja zum Teil im großen Stil geschieht. Und im Buch auch erwähnt wird. Gibson schafft es dabei, ein wirklich konsistentes Werk zu schaffen, daß sich selbst als ein Netz, als eine Struktur sieht.
Das große Bücherrätsel
Deutschland sucht nach dem beliebtesten Buch. Zumindest im ZDF. Nachdem Österreicher leider keine Stimmberechtigung besitzen, und damit auch nicht den 10.000€ Gutschein gewinnen können, geb ich eine Stimmempfehlung für Terry Prattchetts “Fifth Elephant” ab. Obwohl selbst in der Vorschlags-Liste des ZDF ein Haufen guter Bücher drin vorkommen. Die Liste könnte man schon an sich als Empfehlung für klassische Literatur ausgeben.
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